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3. Dezember 2015

Von der Freiheit des Grundeigentums und deren Grenzen aus Nachbarrecht

Zusammenfassung eines Kurzreferats von Rechtsanwalt lic.iur. Hubert Gmünder, gehalten am RE/MAX Apéro vom 17. November 2015 im Pfalzkeller, St. Gallen

 

Lärm aus der angrenzenden Industriezone, Gestank vom nahegelegenen Schweinestall, Kuhglocken- und Kirchengeläut können eine Quelle für grosses Unbehagen sein. Muss das hingenommen werden oder gibt es Möglichkeiten zur Abwehr? Muss der Betreiber eines Geschäfts im Dorfkern entschädigungslos akzeptieren, dass dieses wegen Bauabschrankungen während einer zweijährigen Bauzeit praktisch unsichtbar wird und der Zugang massiv erschwert ist? Hat eine hundertjährige Tanne, die dem Nachbarn Sonne und Licht entzieht, ein unumstössliches Bleiberecht?

Die Freiheit des Eigentums hat einen hohen Stellenwert in der liberalen Wirtschaftsordnung, aber sie unterliegt auch Einschränkungen aus dem Privatrecht und dem öffentlichen Recht. Unterschiedlich sind die Rechtsbehelfe, mit denen sich Betroffene gegen übermässige Beeinträchtigungen aus der Nachbarschaft zur Wehr setzen können.

Das nachfolgende Referat gibt eine kurze und unvollständige Übersicht.

 

1. Die Eigentumsgarantie

Die Bundesverfassung hält in Art. 26 Abs. 1 lapidar fest: “Das Eigentum ist gewährleistet”. Dies gilt allerdings primäar im Verhältnis des Einzelnen zum Staat, wirkt sich aber als tragender Grundsatz des liberalen Rechtsstaats auch auf die Privatrechtsordnung aus. Als verfassungsmässiges Grundrecht schützt die Eigentumsgarantie:

  • das Eigentum an beweglichen und unbeweglichen Sachen;
  • die beschränkten dinglichen Rechte (z.B. Grunddienstbarkeiten und Pfandrechte);
  • die obligatorischen Rechte (z.B. als Mieter oder Pächter);
  • das geistige Eigentum (z.B. Urheberrechte);
  • den Besitz (die tatsächliche Gewalt über eine Sache, gerade auch wenn der Besitzer nicht Eigentümer dieser Sache ist).

 

2. Öffentliches Recht und privates Recht

Das öffentliche Recht betrifft das Verhältnis des Einzelnen zum Staat. Wo der Staat die Freiheit des (Grund-)Eigentums einschränkt, bedarf es aufgrund der Eigentumsgarantie einer gesetzlichen Grundlage. Der Eingriff muss sodann im öffentlichen Interesse liegen und verhältnismässig sein. Besonders wichtige öffentlich-rechtliche Erlasse mit Bezug auf das Grundeigentum sind beispielsweise die Baugesetzgebung oder die Gesetzgebung zum Schutz der Umwelt.

Das Privatrecht regelt demgegenüber das Verhältnis unter Privaten, also der privatrechtlichen Rechtssubjekte untereinander. Die wichtigsten Erlasse: Das Zivilgesetzbuch und das Obligationenrecht.

 

3. Die Freiheit des Grundeigentums

Für das Eigentum allgemein gilt der Grundsatz: “Wer Eigentümer einer Sache ist, kann in den Schranken der Rechtsordnung über sie nach seinem Belieben verfügen.” (Art. 641 Abs. 1 ZGB)

Für das Grundeigentum heisst dies konkreter: “Das Eigentum an Grund und Boden erstreckt sich nach oben und unten auf den Luftraum und das Erdreich, soweit für die Ausübung des Eigentums ein Interesse besteht.” (Art. 667 Abs. 1 ZGB)

Während horizontal die Ausübungsfreiheit durch die Parzellengrenzen definiert ist, fehlt es in der Vertikalen an klaren Grenzen. Umfasst sind jedenfalls Bauten, Pflanzen und Quellen, aber auch (soweit für die Ausübung des Eigentums ein Interesse besteht) der Luftraum. Ein vergrabener herrenloser Schatz gehört dem Grundeigentümer (Art. 723 ZGB), Gegenstände von wissenschaftlichem Wert jedoch dem Kanton (Art. 724 ZGB).

Praxisbeispiele:

  • Missbräuchliches Aufstellen von mit Tüchern behängten Pfählen, um die Aussicht des Nachbarn zu vereiteln.
  • Missbräuchliches Errichten von Holzgestellen mit Eisenspitzen, welche die Benützung des Flugfelds auf der Nachbarliegenschaft erschweren.

 

4. Beschränkungen des Grundeigentums

konkrete gesetzliche Bestimmungen des eidgenössischen und kantonalen Zivilrechts

  • Graben und Bauen (Art. 685 ZGB)
  • Pflanzen (Art. 687 ZGB)
  • Wasserablauf und Entwässerungen (Art. 689 f. ZGB)
  • Durchleitungen (Art. 691 ZGB)
  • Wegrechte (Art. 694 f. ZGB)
  • Einfriedungen (Art. 697 ZGB)
  • Das Recht auf freien Zutritt zu Wald und Weide (Art. 699 ZGB)

Zu diesen nachbarrechtlichen Regelungen des ZGB gibt es eine Fülle kantonaler Detailvorschriften, welche der eidgenössische Gesetzgeber dem kantonalen Recht vorbehalten hat; niedergelegt in den kantonalen Einführungsgesetzen zum Zivilgesetzbuch, aber auch im kantonalen öffentlichen Recht, beispielsweise in den Bau- und Strassengesetzen und den dazu erlassenen Verordnungen und Reglementen.

Doppelnormen mit öffentlich-rechtlichen und privatrechtlichem Inhalt

Die Abstandsvorschriften im öffentlichen Baurecht sind ein Paradebeispiel. Die Abstandsvorschriften sorgen einerseits für wohnhygienische Verhältnisse, schützen die Bewohner vor übermässigem Entzug von Besonnung und Licht. Sie verfolgen aber auch öffentliche Interessen an einer guten Einfügung einer Überbauung in die umliegenden Gebäudestrukturen. Ein weiteres Beispiel ist die Umweltschutzgesetzgebung mit Luftreinhalteverordnung und Lärmschutzverordnung, welche sowohl die Allgemeinheit und damit öffentliche Interessen, aber auch Nachbarn und damit private Interessen vor übermässigen Immissionen schützen soll.

Ein wichtiger Unterschied zwischen dem öffentlichen und dem privaten Recht ist die in aller Regel zwingende Anwendbarkeit des öffentlichen Rechts, während nachbarrechtliche Bestimmungen des Privatrechts dispositives Rechts sind, also abweichender Abmachung zugänglich sind und zudem nur auf Klage hin durchgesetzt werden.

Die nachbarrechtliche Generalklausel (Art. 684 ZGB)

“Jedermann ist verpflichtet, bei der Ausübung seines Eigentums wie    namentlich bei dem Betrieb eines Gewerbes auf seinem Grundstück, sich aller übermässigen Einwirkung auf das Eigentum des Nachbarn zu ent-halten.

Verboten sind insbesondere alle schädlichen und nach Lage und Beschaffenheit der Grundstücke oder nach Ortsgebrauch nicht gerechtfertigten Einwirkungen durch Luftverunreinigung, üblen Geruch, Lärm, Schall, Erschütterung, Strahlung oder durch den Entzug von Besonnung oder Tageslicht.”

Körperliche Einwirkungen: z.B.: Gestank aus dem Schweinemastbetrieb, Staub von der Baustelle, Vogelgekreisch aus der Voliere, Dancingbetrieb bis in die Morgenstunden, Schiesslärm

Ideelle Einwirkungen: zB.: Praxisbeispiele: Dirnenabsteige, religiöse Symbole an der Hauswand, Gartenzwerge (!) in der Stockwerkeigentümergemeinschaft

Negative Einwirkungen: z.B.: Praxisbeispiele: Entzug von Licht, Besonnung und Aussicht durch Bauten und Pflanzen. Hinsichtlich von Bauten sind privatrechtliche Einwendungen kaum durchsetzbar, wenn die Abstandsvorschriften des öffentlichen Baurechts eingehalten sind.

 

5. Abwehrrechte als Ausfluss der Eigentümerbefugnisse

 

  • Eigentumsfreiheitsklage allgemein (Art. 641 ZGB)

Herausverlangen beweglichen Eigentums beim Dritten
Abwehr ungerechtfertigter Einwirkung

 

  • Klagen aus der Verantwortlichkeit des Grundeigentümers (Art. 679 ZGB)

Beseitigung der Schädigung
Schutz gegen drohenden Schaden
Schadenersatz

Praxisbeispiel: Lärm in Nachbarliegenschaft führt zu Mietzinsausfall

  • Klage aus rechtmässiger Bewirtschaftung des Grundstücke (Art. 679a ZGB)

Schadenersatz

Praxisbeispiel: Baustelle versteckt während einer längeren Bauzeit ein Ladengeschäft

 

  • Klage aus Besitzesstörung (Art. 928 ZGB)

 

6. Öffentlich-rechtliche Rechtsbehelfe

 

  • Einsprache, Rekurs und Beschwerde gegen ein Bauvorhaben mit befürchteten Immissionen
  • Rechtsbegehren an die Baubewilligungsbehörde/evtl. an das für die Umweltschutzgesetzgebung zuständige Amt betreffend Beseitigung eines der Baubewilligung widersprechenden Zustands bzw. betreffend Eindämmung von Immissionen nach Art. 11 des Umweltschutzgesetzes
  • Beizug der Polizei bei aktueller und akuter Verletzung von Polizeigütern (Leib und Leben)
  • Strafanzeige, wenn strafrechtliche Verbotsnormen verletzt werden

 

7. Vorgehen mit öffentlich-rechtlichen oder privat-rechtlichen Rechtsbehelfen?

 

Die Frage kann nicht abstrakt beantwortet werden. Massgebend ist der jeweilige Sachverhalt. Im Zivilprozess ist das Kostenrisiko höher und muss der massgebende Sachverhalt vom Kläger aufgezeigt und nachgewiesen werden. Bei den öffentlich-rechtlichen Rechtsbehelfen ist das Kostenrisiko im Allgemeinen geringer und der Sachverhalt wird häufig von Amtes wegen durch die zuständigen Behörden abgeklärt.

 

 

 

 

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